Mensch und künstliche Intelligenz (KI) sind die Teamkollegen der Zukunft. Ein Ansatz für eine gut funktionierende Zusammenarbeit ist „Human-Centered Artificial Intelligence (AI)“ oder „menschzentrierte KI“. Erklärbarkeit und Vertrauen sind dabei zentrale Aspekte. Bei der technologischen Weiterentwicklung von KI haben Frauen eine zunehmend starke Stimme. Forscherinnen aus dem UAR Innovation Network geben Einblicke, welche Forschungsfragen im „KI-Teambuilding“ zukunftsweisend sind und warum Diversität in der Forschung einen hohen Stellenwert einnimmt.
Starke Vernetzung in der KI-Community
Als zentrales Schwerpunktthema der oö. Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 wird im UAR Innovation Network intensiv im Gebiet der „Human-Centered AI“ geforscht – darunter die in Hagenberg ansässigen Forschungszentren RISC Software und das Software Competence Center Hagenberg (SCCH). Die Zentren sind stark in der überregionalen KI-Community vernetzt. SCCH Research Director Bernhard Moser ist Präsident der Austrian Society for Artificial Intelligence (ASAI), der Plattform der nationalen KI-Landschaft. Zudem sind die Forschungsorganisationen Mitglied beim bundesweiten Netzwerk AI Austria und engagieren sich intensiv im regionalen Verein AI Upper Austria, zu dessen Gründungsmitgliedern SCCH zählt. Mit der lokalen Gruppe hat die internationale Gemeinschaft eine starke Repräsentanz am Industriestandort Oberösterreich. Für eine starke weibliche Stimme im Bereich KI sorgt der Verein Women in AI. In diesem Netzwerk von Fachexpertinnen engagieren sich Forscherinnen der Zentren, um gezielt die Diversität und die Sichtbarkeit von Frauen im KI-Bereich zu fördern.
Frauenförderung in der Forschung
Die Forschungszentren setzen gezielte Initiativen in der Förderung von Frauen und jungen Talenten. Hinter dem Engagement stehen oftmals ambitionierte Forscherinnen, denen dies eine Herzensangelegenheit ist. Allgemein ist der „Gender-Gap“ in der Forschung in den vergangenen Jahren kleiner geworden – vor allem bei jungen Forschenden. An den Forschungszentren SCCH und RISC Software sind durchschnittlich rund ein Drittel im Team Frauen. Der Anteil liegt deutlich über dem Branchendurchschnitt von rund 20 Prozent im IT-Bereich. Diese Stärke soll weiter ausgebaut werden. Beide Zentren pflegen Kooperationen mit Höheren Technischen Lehranstalten und bringen so Forschung rund um Themenkreise wie digitale Transformation und künstliche Intelligenz ins Klassenzimmer. Zudem wirken die Zentren regelmäßig bei spannenden schulischen Wettbewerben mit, um das Interesse und die Faszination für die Technik bereits in jungen Jahren zu wecken.
Manuela Geiß
Senior Researcher im Bereich Data Science am Software Competence Center Hagenberg
Sie beschäftigt sich intensiv mit Deep Learning und erklärbarer KI (XAI).
Welche Rolle spielt die Erklärbarkeit bei KI-Modellen?
„Ein großes Potenzial von Lernalgorithmen besteht in der Fähigkeit, von komplexen Daten zu lernen und dabei bisher unbekannte Zusammenhänge zu nutzen. Erklärbare KI kann dabei helfen, diese Zusammenhänge aufzudecken, zu verstehen und so neues Wissen zu generieren. Auf diese Weise können durch Erklärbarkeit auch Schwächen eines KI-Modells, zum Beispiel Datenbias, frühzeitig identifiziert und mögliche Folgen wie diskriminierende Entscheidungen des Algorithmus verhindert werden. Dies stärkt gleichzeitig auch das Vertrauen in KI-Methoden – eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz gut funktioniert.“ – Manuela Geiß
Roxana Holom
Data Science Project Manager & Researcher bei RISC Software
Seit dem ersten Gründungsjahr von Women in AI Upper Austria engagiert sich die gebürtige Rumänin als Mitglied in der Plattform.
Warum ist Gender-Balance in der KI-Forschung wichtig?
„Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten. Sie sind aber auch mit Herausforderungen verbunden. KI-Systeme können automatisch diskriminierende Entscheidungen treffen, wenn sich in den verwendeten Datensätzen Vorurteile widerspiegeln. Ausgewogene Expertenteams können dem entgegenwirken, da unterschiedliche, geschlechtsspezifische Sichtweisen bereits in einem frühen Stadium in die Forschungsarbeit einbezogen werden. Das breite Spektrum der Anwendung von KI-Systemen erfordert zudem nicht nur technisches Fachwissen, sondern auch Kenntnisse, die zur Lösung der vielen ethischen und rechtlichen Fragen beitragen können.“ – Roxana Holom
Verena Geist
Key Researcher Software Science beim Software Competence Center Hagenberg
Sie studierte Software Engineering für Medizin an der FH OÖ und schloss ihr Doktorat an der JKU „sub auspiciis“ ab.
Wie können mehr Frauen ihren Weg in die Forschung finden?
„Die Forschung hat eine sehr kreative Seite. Originelle Ideen und Freude am Lösen vielfältiger Herausforderungen sind gefragt. Daher ist es wichtig, unbewusste Vorurteile und stereotype Rollenbilder zu hinterfragen sowie das Interesse von jungen Frauen an MINT-Berufen zu wecken. Praktika speziell für Schülerinnen und Studentinnen bringen wertvolle Einblicke in das Arbeitsumfeld. Zusätzlich sollten Weiterbildungsmaßnahmen für Forscherinnen forciert und Mentoringprogramme gestartet werden, um die Karrieremöglichkeiten von Frauen in der Forschung zu verbessern. Dabei müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um – wie in jedem Berufsfeld – Familie und Beruf optimal vereinbaren zu können, zum Beispiel Teilzeitmodelle, Wiedereinstieg nach der Karenz und Work-Family-Balance-Modelle.“ – Verena Geist
Christina Hochleitner
Forschungskoordinatorin bei RISC Software
Für ihr Engagement in der Frauenförderung wurde sie bereits im Rahmen der bundesweiten FEMtech-Initiative zur Expertin des Monats gekürt.
Wie bereichert Vielfalt die Forschung?
„Vielfalt ist ein integraler Bestandteil, den es in der Forschung zu reflektieren gilt. Medienberichte des letzten Jahres haben aufgezeigt, welche Auswirkungen es haben kann, wenn Vielfalt in der Forschung nicht berücksichtigt wird – vom Gender-Gap, unter anderem in der Medizin, bis hin zu diskriminierenden Algorithmen. Daher ist es besonders wichtig, individuelle Lebensrealitäten wie Geschlecht, Alter, Beeinträchtigungen, verschiedene Kulturen und vieles mehr in der Forschung zu berücksichtigen – einerseits durch die behandelten Forschungsthemen und andererseits durch Projektteams, die diese Vielfalt leben.“ – Christina Hochleitner
Anna-Christina Glock
Researcher & Data Scientist beim Software Competence Center Hagenberg
Beim „Girls! TECH UP Role Model Award“ engagierte sie sich, um mehr Mädchen zu einer Berufswahl in der Technik zu ermutigen.
Braucht die Forschung mehr weibliche Vorbilder?
„Motivierende und inspirierende Vorbilder können eine starke Kraft bei der Berufsorientierung und darüber hinaus sein. Um Mädchen und junge Frauen zu erreichen, kann das Geschlecht eine bedeutsame Rolle spielen – als ein Aspekt unter vielen. Wesentlich finde ich, dass weibliche ,Role Models‘ uns aufzeigen, was in Zukunft aus uns werden könnte – und uns zugleich ein wenig an uns selbst erinnern. Dazu müssen wir sie als ,jemand wie ich‘ einordnen können.“ – Anna-Christina Glock
Anna-Sophie Jäger
Data Scientist bei RISC Software
Über ein Praktikum im Bereich Softwareentwicklung im Rahmen einer HTL-Partnerschaft kam sie zu RISC Software.
Welche Sprache spricht die junge Forschung?
„Im Gegensatz zu manchen meiner Kolleginnen und Kollegen bin ich mit dem Internet aufgewachsen. Floppy Disks habe ich als Erstes als Speichersymbol in Word kennengelernt. Erst später habe ich festgestellt, dass es diese auch physisch gibt. Ich glaube, je mehr man mit Technologie aufwächst, desto geringer ist die Hemmschwelle, diese auch in allen Bereichen zu nutzen. Keine Angst vor dem dritten Wearable, das einen den ganzen Tag überwacht. Keine Panik, dass Roboter die Weltherrschaft an sich reißen, nur weil sie uns im Alltag unterstützen. Es ist aus meiner Sicht vor allem ein naiverer Ansatz, der die junge Forschung prägt. Mehr Offenheit und weniger Angst vor möglichen Konsequenzen, da wir sehr frei aufwachsen dürfen.“ – Anna-Sophie Jäger
Sandra Wartner
Data Scientist bei RISC Software
Ihr Fokus liegt auf unterschiedlichsten Aufgabenstellungen aus Data Analytics (zum Beispiel Natural Language Processing) sowie dem Einsatz von KI-Lösungen in der Praxis.
Wie versteht künstliche Intelligenz die menschliche Sprache?
„Die Verarbeitung von natürlicher Sprache durch Maschinen (Natural Language Processing) ermöglicht es als interdisziplinäres Feld der Linguistik, Computerwissenschaft und künstlichen Intelligenz, die menschliche Sprache maschinell zu lesen, zu entschlüsseln und zu verstehen. Die Verfügbarkeit von höherer Rechenleistung, enormen Datenmengen (Big Data) sowie modernen Algorithmen bringt kontinuierlich eine Vielzahl an revolutionären Errungenschaften mit sich. Was es nun braucht, sind Expertinnen und Experten, die diesen Sprung aus dem Forschungsbereich in die Produktion ermöglichen.“ – Sandra Wartner
Lisa Ehrlinger
Senior Researcher Data Science am Software Competence Center Hagenberg
Sie ist zuständig für die wissenschaftliche Ausrichtung des Research Focus „Datenmanagement und Datenqualität“.
Was hat Diversität mit Datenqualität zu tun?
„KI-Systeme treffen ihre Entscheidung auf Basis der Daten, die für das Trainieren und Testen der Algorithmen herangezogen werden. Wenn diese Daten Sichtweisen einer bestimmten Personengruppe repräsentieren, werden KI-Algorithmen andere Standpunkte nicht einschätzen können. Diesen Effekt nennt man ,Bias‘. Für objektive Entscheidungen braucht es daher eine ausreichend hohe Datenqualität. Untersucht werden dabei Aspekte wie Vollständigkeit, Korrektheit oder Aktualität. Sowohl bei der Entwicklung von KI-Algorithmen als auch der Überprüfung der Datenqualität sollte man auf Diversität achten. Denn nur wenn im Team viele unterschiedliche Meinungen repräsentiert werden, kann eine ungewollte Voreingenommenheit von KI-basierten Entscheidungen verhindert werden.“ – Lisa Ehrlinger
Gelebte Vielfalt in der Forschung #DiversityInScience
Das UAR Innovation Network zählt insgesamt 17 hochkarätige Forschungszentren, die Unternehmen bei der Realisierung ihrer Innovationsvorhaben tatkräftig unterstützen. Die Kernkompetenzen lassen sich in drei Stärkefelder zusammenfassen – smarte Systeme, digitale Technologien und nachhaltige Materialien.