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Europas Weg Richtung Kreislaufwirtschaft: Die doppelte Perspektive des Digitalen Produktpasses

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Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung unserer Welt wird auch die digitale Identifikation immer wichtiger. Verifizierungen der eigenen Identität und digitale Nachweise gewinnen an Bedeutung, z.B. bei Profilen auf sozialen Netzwerken oder beim Signieren von Dokumenten.

Dr.in techn. Verena Halmschlager

Circular Production & Digital Product Passport bei Plattform Industrie 4.0

Nun plant die Europäische Kommission die Einführung des Digitalen Produktpasses (DPP), der eine Identifikationspflicht für eine Vielzahl von Produkten und Konsumgütern in ganz Europa vorsieht. Klingt futuristisch und komplex? Ist es auch! Doch hinter diesem Vorhaben steckt weit mehr als nur eine Technologie oder eine Zukunftsfantasie. Der DPP soll zum Schlüsselakteur einer nachhaltigen und kreislauffähigen Wirtschaft werden.

Hintergründe zum Schlüsselakteur der Kreislaufwirtschaft
Der DPP stellt ein zentrales Element im Rahmen der aktuellen Agenda der Europäischen Kommission dar. Unter dem Begriff der „Twin Transition“ vereint er die ökologische und digitale Transformation und soll der gegenwärtigen Ressourcenknappheit durch verstärkte Kreislaufwirtschaft entgegenwirken. Letztere zielt darauf ab, Produkte möglichst lange im Wertschöpfungskreislauf zu halten, indem sie auf verlängerte Nutzungsdauer, Wiederverwendung, Reparatur und im letzten Schritt auf Recycling setzt. Ein entscheidendes Hindernis für eine effektive Kreislaufwirtschaft ist jedoch die mangelnde Transparenz entlang der Lieferkette. Genau hier kommt der DPP ins Spiel: Er bietet die digitale Basisinfrastruktur, damit ausgewählte Informationen zu einem Produkt, insbesondere zur Nachhaltigkeit, entlang der Wertschöpfungskette digital erfasst und durch einen leicht zugänglichen Datenträger, wie beispielsweise einem QR-Code, abrufbar gemacht werden. Diese Regelung soll für eine Vielzahl an Produkten gelten, die in der EU hergestellt oder eingeführt werden.

Aktueller Stand und Ausblick
Der DPP ist in der Ökodesign-Verordnung verankert, die Ende 2023 eine vorläufige Einigung innerhalb der Europäischen Kommission erzielt hat. Die Ökodesign-Verordnung ist ein Rahmenwerk, das ökologische Mindestanforderungen an Produkte festlegt und die Einführung des DPP bestimmt. Die spezifischen Anforderungen sowie die Informationen, die im DPP enthalten sein müssen, variieren je nach Produktgruppe und werden in separaten delegierten Rechtsakten in den kommenden Jahren definiert. Zu den erforderlichen Informationen gehören beispielsweise Reparaturfähigkeit, Zerlegbarkeit, Recyclingfähigkeit, toxische Inhaltsstoffe oder Energieverbrauch. Die ersten Produktgruppen für die Ökodesign-Verordnung und den DPP sind unter anderem Textilien, Möbel, Eisen und Stahl, Aluminium, Reifen, Farben, Schmierstoffe, Chemikalien und Elektronik. Ausnahmen soll es für Lebensmittel, Futtermittel, Arzneimittel und lebende Tiere und Pflanzen geben. Außerdem ist der DPP für Batterien durch eine separate Batterieverordnung schon ab voraussichtlich 2027 Pflicht. Für Textilien sowie Eisen- und Stahl-Produkte könnte die Einführung des DPP ebenfalls bereits 2027 erfolgen. Für die weiteren Produktgruppen ist der genaue Zeitplan noch unklar, ab 2030 ist allerdings bereits für einige Produkte mit einem DPP zu rechnen.

Bedeutung für Unternehmen und Verbraucher:innen
Die Verantwortung für den DPP liegt gemäß den Bestimmungen bei den Inverkehrbringer:innen eines Produkts. Das bedeutet, dass sie die erforderliche Infrastruktur bereitstellen müssen, um Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu sammeln, zu speichern und abzurufen – angefangen bei den Rohstoffen bis hin zum eigentlichen Produkt, zur Wiederverwendung oder zum Recycling. Dies stellt zweifellos eine große Herausforderung dar: Viele betroffene Unternehmen sind noch nicht ausreichend digitalisiert, um diese Informationen mühelos abrufen zu können. Die Implementierung erfordert zudem eine verstärkte Kommunikation und Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette sowie eine interdisziplinäre Kooperation im Kontext von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Gleichzeitig nehmen bereits jetzt viele Unternehmen den DPP zum Anlass, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken – beispielsweise mithilfe von neuen oder angepassten Geschäftsmodellen, neuen Einnahmequellen durch den Verkauf von Daten oder Analysedienstleistungen, mit Prozess- und Produktoptimierungen über die Unternehmensgrenzen hinweg oder mit verbesserter Transparenz, die unter anderem auch Kaufentscheidungen beeinflusst. Neben dem Blickwinkel der Unternehmen bietet der DPP auch für Verbraucher:innen Vorteile. Sie wissen zukünftig leichter über die Nachhaltigkeit von Produkten Bescheid und können dies in ihre Kaufentscheidungen miteinbeziehen. Darüber hinaus werden Wiederverwendung, Reparatur und Recycling durch die im DPP enthaltenen Informationen für die Nutzer:innen erleichtert.

Fazit:
Als entscheidendes Instrument zur Steigerung der Produktnachhaltigkeit und der Transparenz in der Wertschöpfungskette bietet der DPP eine doppelte Perspektive. Einerseits ist er unverzichtbare Pflicht, um zukünftige Regularien zu erfüllen. Andererseits eröffnet er die Chance, eine funktionierende IT-Infrastruktur für den Datenaustausch zu etablieren, die weitreichend genutzt werden kann. Nutzen Sie diese Möglichkeit zur Verbesserung – es liegt an Ihnen!

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