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Bauwirtschaft

Nachhaltiges Bauen ist keine Option mehr, sondern ein Muss

© Unsplash/Ricardo Gomez Angel

Mag. Peter Engert

Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft
© Foto: Christian Kalser

Der Green Deal der EU wird zum Gamechanger in der Immobilienbranche. Peter Engert, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft, erklärt, warum für private und öffentliche Entscheidungsträger(innen) kein Weg mehr am nachhaltigen Bauen vorbeiführt. 

Klimawandel und Ressourcen­knappheit haben dazu geführt, dass Nachhaltigkeit in aller Munde ist. Aber was bedeutet das für private wie öffentliche Bauvorhaben? Wie ist es um den Status quo in Österreich bestellt?

Nachhaltigkeit war bisher eine Ausprägung bei Immobilien, die freiwillig, aus einer persönlichen Einstellung der Projektentwickler und Bauherren heraus realisiert wurde. Die Verwendung gesun­der Baustoffe, die Eignung für Wiederverwendung bzw. Recyc­ling, energiesparende Architektur und Gebäudetechnik, Klima­resilienz und vor allem soziale Nachhaltigkeit als Basis für das Wohlbefinden der Menschen zeichnen seit jeher großartige Immobilienprojekte aus. Inves­toren mit Weitblick investieren schon lange ausschließlich in nachhaltige Projekte. Mit der heurigen Realisierung des Green Deals der EU ist Nachhaltigkeit keine bloße Option mehr. Sie ist zum risikorelevanten Faktor bei Investitionen und Finanzierungen geworden. Die für Finanzinstitute verpflichtende EU-Taxonomie drängt Finanzierungen in Richtung Nachhaltigkeit. Wer seine Immobilienprojekte günstig refinanzieren oder einen guten Verkaufspreis erzielen will, muss den Anforderungen der Taxono­mie gerecht werden – damit ist die Frage, ob in Nachhaltigkeit inves­tiert werden soll, mit einem klaren Ja zu beantworten, die Frage nach dem „Wie“ ist gestaltbar.

Die Digitalisierung hat alle Lebens- und Wirtschaftsbe­reiche erfasst. Welche Rolle spielt sie für das nachhaltige Bauen?

Erst mit der Digitalisierung wird Nachhaltigkeit nachvoll­ziehbar. Da Nachhaltigkeit als risikorelevant für den wirtschaft­lichen Erfolg eines Projekts eingestuft wird, ist die Zeit von Marketinggags, bunten Plaketten und inhaltslosen Hochglanz- Broschüren vorbei. Banken und Investoren verlangen „Beweise“ für die Nachhaltigkeit. Das große Thema, vor allem bei Bestands­gebäuden, ist die Beschaffung der nötigen Daten: Woher bekomme ich Informationen zum Ener­gie- und Wasserverbrauch? Wie können Einsparungen nachver­folgt werden? Wie funktioniert das Abfallmanagement? Wie schützen wir die Umwelt? Wie stellen wir Wiederverwendung und Recy­cling der Baustoffe sicher? Hier kann eine sinnvolle Digitalisie­rung und Protokollierung helfen, die relevanten Daten beweisbar und leicht nachvollziehbar bereitzustellen.

Ist bereits absehbar, wie nachhaltige Bauvorhaben aussehen werden? Ist das alleinig eine Frage der Mate­rialwahl?

Nachhaltigkeit entwickelt sich ständig weiter. Die kommenden Entwicklungen betreffen neben der fortschreitenden Digitali­sierung vor allem die Kreislauf­wirtschaft. Wir werden zukünftig unseren Rohstoffverbrauch kräftig senken müssen. Das bedeutet Wiederverwendung, Reparaturen und Recycling statt Abfalldeponie. Gebäude müssen so konzipiert werden, dass sich damit lange Nutzungsperioden erzielen lassen. Dabei ist Flexibilität ein Gebot der nächsten Zeit, um alternative Nutzungsszenarien in einem Gebäude zu ermöglichen, beziehungsweise nicht von vorn­herein auszuschließen. Alterna­tive Baustoffe sind im Kommen, Lehm, Holz, re- und upgecyceltes Material werden Verwendung finden und das am besten ohne lange Transportwege.

Wie können sich private und öffentliche Bau- und Entschei­dungsträger(innen) bereits jetzt auf diese vielfältigen Her­ausforderungen vorbereiten?

Stellen wir die Menschen und Gebäudenutzer in den Mittel­punkt. Wenn sich die Menschen wohlfühlen, ist garantiert, dass Gebäude lange bestehen bleiben, regelmäßig saniert werden und nicht leer stehen. Lang bestehen­de Gebäude sind der beste Klima-und Ressourcenschutz. Das gilt für Bauträger ebenso wie für Bürgermeister.

Was würden Sie Entschei­dungsträger(inne)n mit auf den Weg geben?

Nachhaltigkeit rechnet sich, und zwar auf allen Ebenen. Jetzt ist die Zeit, nachhaltige Gedanken in Projekte zu verwandeln.

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