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Landwirtschaft

„Good News kommen nicht an“

Foto: JS Media

Stagnierende Gehälter, fehlende Wertschätzung: Lohnt es sich noch, Bauer zu sein? Der Präsident des Österreichischen Bauernbunds, Georg Strasser, im Interview. 

Herr Strasser, inwieweit hat Corona die österreichische Landwirtschaft verändert?

Die Coronakrise hat das Konsumverhalten verändert. Während der Coronakrise konnten wir Bauern Versorgungssicherheit gewährleisten. Die Preise sind dennoch zurückgegangen. Das ist paradox. Auf einer Seite ist man als Bauer systemrelevant, trotzdem beginnen Preise zu schwächeln. Um die Situation zu verbessern, arbeiten wir in aller Intensität daran, das Thema Versorgungssicherheit politisch besser abzusichern, auf europäischer und nationaler Dimension. 

Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Krise eine positive Veränderung initiiert hat, beispielsweise in der Direktvermarktung. Jene Betriebe, die während der Krise am richtigen Standort waren, und es gewohnt waren, auf den Kunden direkt zuzugehen, haben enorme Umsatzzuwächse. Wer aber beispielsweise im Frühjahr auf die Touristen gewartet hat, gehört zu den Corona-Verlierern. Dort haben Hilfspakete Linderung gebracht. Etwa 3000 Betriebe haben von diesem Hilfsfonds Geld bekommen. 

Eine der wichtigsten Maßnahmen, zu der sich die Regierung schon bekannt hat, ist der öffentliche Einkauf. Also die Beschaffung von Lebensmitteln in Kantinen, Schulen oder Kasernen. Es ist an der Zeit, dass die öffentliche Hand endlich auch österreichisch einkauft und nicht nur von den Bauern hohe Auflagen verlangt. Dafür gibt es eine gesetzliche Grundlage, das sogenannte Bestbieter-Prinzip. Das wurde schon in zwei Novellen beschlossen. Ein Koch in einem LKH darf dadurch exklusiv österreichische Ware kaufen. Es muss nicht mehr der billigste Preis sein, so wie früher. Der Preisunterschied ist jetzt über die Qualität argumentierbar. Zudem sollen die österreichischen KonsumentInnen noch mehr überzeugt werden, dass Lebensmittel aus Österreich nachhaltiger sind: Beste Qualität durch Sorgfalt auf den Familienbetrieben, gezielten Pflanzenschutz und eine herzeigbare Klimabilanz. Die Lebensmittelproduktion sichert zudem unsere Kulturlandschaft: Österreich wäre nicht so schön, wie es ist, ohne unsere Bäuerinnen und Bauern. Es gäbe keine Almen ohne Kühe. Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion gestalten unseren Lebensraum. Stadt und ländlicher Raum stehen im Dialog und profitieren voneinander. 

Die Einkommen der österreichischen Bäuerinnen und Bauern sind 2019 gesunken und stagnieren auf dem Niveau von 2016. Zudem kommt noch, dass LandwirtInnen sich in letzter Zeit online als Tierquäler abstempeln lassen müssen. Lohnt es sich noch, Bauer zu sein?

Der Befund sagt, dass in Europa seit zehn Jahren die Einkommen stagnieren. Eine wirtschaftlich angespannte Situation, die Teil des Problems der Betriebsschließungen ist. Dazu kommt, im medialen Diskurs als Giftspritzer und Tierquäler dargestellt zu werden. Wobei man sagen muss, dass es unseren Bauernfamilien dabei noch besser geht als etwa den Kollegen aus Deutschland. Viele der internationalen Probleme in der Agrarwelt würde es nicht geben, wenn alle den österreichischen Weg gehen würden. 

Der Großteil der österreichischen Bäuerinnen und Bauern ist in puncto Tierwohl Musterschüler. Ebenso, was die Nachhaltigkeit betrifft. Das sind leider Good News, und die kommen nicht an. Das ist unser Dilemma. Wir haben 25% Biobauern in Österreich. Oder Bauern, die sich an ÖPUL-Programmen beteiligen, oder auf den Schnittzeitpunkt beim Mähen achten, damit genug Bienenfutter stehen bleibt. Das ist ja kein Selbstläufer. Klar ist aber auch: Wenn jemand mit seinen Tieren und seinen Mitarbeitern nicht sachgemäß umgeht, dann ist das abzustellen. Da darf es keinen Diskussionsspielraum geben.

Blick noch stärker auf die Märkte richten

Wie können wir unsere Produkte, die einem höheren Standard entsprechen, zu einem besseren Preis verkaufen? Man muss werben und die Allianz mit LEH, der Gastronomie und den KonsumentInnen suchen. Ebenso wichtig ist die Eigenverantwortung der Bauern: Welche Bereiche will man bewahren, was macht den Betrieb erfolgreich? Man muss die gesellschaftlichen Veränderungen verfolgen und die Schlüsse für die Produktion am eigenen Betrieb ziehen. Welche Innovationen sind notwendig, um erfolgreicher am Familienbetrieb wirtschaften zu können?

Besonders wichtig ist der Aspekt Klimawandel, denn der ist ein Faktum. Wir wollen zur Erreichung der Klimaziele etwas beitragen. Im eben veröffentlichten Forstpaket wird das Thema „Forstgas“ und „Forstdiesel“ behandelt. Die österreichische Landwirtschaft kann es in diesem Sektor schaffen, bis 2040 energieautark zu werden. Biomasse ist der Schlüssel zum Erfolg. 

Welchen Herausforderungen muss sich die österreichische Landwirtschaft in Zukunft stellen?

Da gibt es ein Phänomen, welches ich „Billa-Dilemma“ nenne: Vor dem Betreten der Filiale will der Kunde Bio, am Regal entscheidet er sich für das konventionelle Produkt. Ein Griller ist oft mehrere tausend Euro wert; das Kotelett, welches dann darauf landet, kostet drei Euro. Diesen Widersprüchen müssen wir uns stellen. Es braucht die Bereitschaft, weiter an der Qualitätsschraube zu drehen. Ein Beispiel: Damit wir nicht mehr auf Soja aus Südamerika angewiesen sind, brauchen wir 30-50 Millionen Euro mehr Einkommen in der Schweinebranche. Es gibt noch niemanden, der uns diesen Mehraufwand bezahlt. Ohne preisliche Absicherung wird die österreichische Ware nicht mehr gekauft und durch günstigere Ware aus dem Ausland verdrängt. Wir müssen nicht nur die Kunden vom Mehrwert überzeugen, sondern auch unsere Partner im LEH und im öffentlichen Einkauf sowie der Gastronomie. Die Philosophie „Österreich isst regional“ werden wir weiterverfolgen. Wir lassen uns sicher nicht unterkriegen. 

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