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„Wir punkten mit Klasse statt Masse!“

© Foto: Landwirtschaftskammer Ö

LK-Präsident Josef Moosbrugger über 2020 als Entscheidungsjahr für die Landwirtschaft, und warum ein Bewusstseinswandel dringend nötig ist.

Wo steht Österreichs Landwirtschaft im Jahr 2020?

2020 ist ein Entscheidungsjahr. Einerseits gibt es erstmals eine türkis-grüne Regierung mit neuen Akzenten, andererseits stehen auch auf EU-Ebene wichtige Entscheidungen an. Da die Gesellschaft immer mehr Leistungen von unseren Bäuerinnen und Bauern – etwa im Umweltbereich – verlangt, müssen wir alles tun, damit diese auch abgegolten werden. Mehr Leistung für weniger Geld geht nicht! Gleichzeitig gilt es sicherzustellen, dass unsere Betriebe weiterhin produzieren und auf den Märkten erfolgreich sein können. Unsere heimische Landwirtschaft steht zahlreichen Herausforderungen gegenüber, ist gleichzeitig aber etwas, worauf ganz Österreich stolz sein kann!

Was zeichnet Österreichs Landwirtschaft, vor allem im Wettbewerb mit anderen EU-Ländern, aus?

Österreichs Landwirtschaft ist im internationalen Vergleich kleinstrukturiert, bäuerlich, jung und familiär. Sie sorgt für eine besonders hohe Lebensmittelqualität und -sicherheit. Zwei Drittel der Betriebe befinden sich in Berg- und benachteiligten Gebieten. Das alles ist nicht nur für Touristen attraktiv, sondern auch für unsere eigene Bevölkerung ein enormer Vorteil. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski war kürzlich in Österreich und betont seither, wie vorbildlich wir mit unserer Agrarumweltorientierung sind. Und auch in einem internationalen Nachhaltigkeitsranking haben wir mit unserer Landwirtschaft den Sieg eingefahren – alles eine positive Visitenkarte! Wir punkten mit Klasse statt Masse. 

Woran krankt die Landwirtschaft? Welche Entwicklungen und Hürden müssen genommen werden, um dauerhaft bestehen zu können?

Wir brauchen einen Bewusstseinswandel. Es kann nicht funktionieren, dass uns in der nationalen Diskussion höchste Standards und Kosten abverlangt werden und dann importierte Billigwaren ohne Standards verkauft werden. Diese Scheinheiligkeit ist absolut kontraproduktiv. Wer A sagt, muss auch B sagen. Oft gibt es nicht einmal eine echte Wahlfreiheit für all jene, die den rot-weiß-roten Konsumpatriotismus leben wollen. Deswegen habe ich mich auch gemeinsam mit Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger sehr dafür eingesetzt, dass eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung und bei Verarbeitungsprodukten im neuen Regierungsprogramm enthalten ist.

Die aktuelle Corona-Situation zeigt, dass eine bäuerliche Qualitätslandwirtschaft wesentlich krisenfester ist, als eine industriell geprägte.

Welche Neuerungen wird es durch die türkis-grüne Regierung noch geben?

Wir haben ein Regierungsprogramm geschaffen, das im Agrarbereich den Titel „Grundlagen schützen, Chancen nützen“ verdient. Und neben unseren natürlichen Ressourcen sind gerade auch unsere bäuerlichen Betriebe eine solch schützenswerte Grundlage. Deswegen lautet mein Credo auch: Nur Praktikables ist Diskutables! Neue Chancen sehe ich etwa im Bereich der Bioenergie und -ökonomie und somit im Ersatz klimaschädlicher fossiler Rohstoffe durch erneuerbare. Wichtig war uns auch im Sinne aller, Entlastungen für unsere Bauernhöfe durchzusetzen.

Welche Themen werden in Zukunft für die LandwirtInnen unumgänglich sein?

Einerseits die Klimaverschlechterung, wobei wir nicht nur Hauptbetroffene sind, sondern mit unseren Erneuerbaren auch Teil der Lösung. Gleichzeitig beschäftigen uns viele Wünsche der Allgemeinheit, die sich oft widersprechen. So soll es emissionsfreie Ställe geben, aber bitte gleichzeitig mehr Tierwohl mit Weidehaltung. Wir sollen perfekte, international konkurrenzfähige Produkte herstellen, aber bitte ohne notwendige Produktionsmittel und zu Weltmarktpreisen etc. Hier brauchen wir mehr Ehrlichkeit! Fakten statt Fake-News, Herz und Hirn sind gefragt.

Was wünschen Sie sich für die Landwirtschaft der Zukunft?

Mein Ziel ist, dass es uns gelingt, die ÖsterreicherInnen für eine echte Partnerschaft zu gewinnen. Und dass es mehr Wertschätzung gibt, die auch in kostendeckenden Preisen für die Bauern zum Ausdruck kommt. Praktikable Rahmenbedingungen sind gefordert, die unsere Jugend wieder motivieren, die Höfe ihrer Eltern zu übernehmen. Denn letztlich geht’s auch um die Versorgungssicherheit der gesamten Bevölkerung. Das ist eine wichtige Zukunftsfrage!

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