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Industrie 5.0: Den Menschen in den Mittelpunkt rücken

Credits: AIK
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Warum Industrie 5.0 jetzt Industrie 4.0 ablöst und welche Chancen Österreichs Unternehmen haben, erklären Kommunikations- und Marketing-Expertin Christine Wahlmüller-Schiller und die Forscherin Setareh Zafari vom Center for Technology Experience des Austrian Institute of Technology (AIT).

MAG.a DR.in Christine Wahlmueller-Schiller

Marketing & Communications Center for Technology Experience

Was unterscheidet Industrie 4.0 von Industrie 5.0?
Wahlmüller-Schiller: Industrie 5.0 ist eine Reaktion auf die multiplen Krisen, wie auch auf Entwicklungen in der Produktionsumgebung selbst. Sie setzt auf drei Schwerpunkte: Nachhaltigkeit, Resilienz und Menschenzentrierung: Die Industrie 4.0 war sehr stark auf Technologie fokussiert: Automatisierung, Internet of Things, Cloud-Lösungen und künstliche Intelligenz. Industrie 5.0 versucht, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Produktion und Produktionsumgebung zu rücken. Die anderen beiden Säulen sind Nachhaltigkeit und Resilienz: Die multiplen Krisen – die Energiekrise, die Covid-19-Pandemie sowie der Krieg in der Ukraine – haben gezeigt, dass es hier Aufholbedarf gibt. Wir müssen unsere Produktionsumgebungen langfristig zukunftsfit und damit auch krisensicher gestalten. Nur so kann Europa seine Führungsrolle im Industriebereich beibehalten und stärken. Industrie 5.0 soll uns nicht zuletzt dabei helfen, Bewusstsein für diese Schwerpunkte zu schaffen und entsprechenden Veränderungen anzustoßen. Im beständigen Austausch mit CIOs merke ich, dass diese Themensetzung auch wirklich Anklang findet.

Was kann man sich unter Mensch-Zentrierung vorstellen?
Zafari: Das Ziel ist es, den Menschen und seine einzigartigen Fähigkeiten in das Zentrum des Produktionsprozesses zu rücken. Das berührt u.a. Forschungsbereiche wie Future Digital Interfaces oder auch Extended Reality für industrielle Anwendungen. Ein Beispiel: Beim Projekt CRANEium haben wir uns im Auftrag von Industrie-Logistik-sehr gemeinsam mit den Kranoperatoren die Frage gestellt, wie man Hallenkräne möglichst sicher und komfortabel steuern kann. Das Ergebnis ist eine optimierte Remote-Steuerung, die den Arbeitsplatz flexibel werden lässt. Kranfahrer:innen müssen nicht mehr in der Krankabine sitzen. Die Steuerung kann im Büro oder sogar von zu Hause aus erfolgen. Das erlaubt es, den Arbeitsplatz sicherer, ergonomischer, etwa auch den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen entsprechend, und damit auch produktiver zu gestalten. Das Beispiel zeigt, wie Mitarbeiter:innen und Unternehmen gleichermaßen von Industrie 5.0 Anwendungen profitieren. 

Wie hält der Industriestandort Österreich mit den aktuellen Entwicklungen Schritt?
Im Bereich Automatisierung ist sehr viel passiert. Nachholbedarf gibt es sicherlich in punkto Digitalisierung – bei der digitalen Abbildung von Produktions-Prozessen, dem Einsatz von KI und Machine Learning, der Gestaltung von Interfaces für eine bessere User Experience sowie bei der Verknüpfung all dieser Teilbereiche. Dabei gestaltet sich nicht nur die Implementierung in bestehen Unternehmensstrukturen als herausfordernd. Hinzukommen der Fachkräftemangel sowie das strenge europäische Regelwerk für den Umgang mit Daten – etwa die Datenschutzgrundverordnung oder die Cybersecurity-Richtlinie NIS2. Wie kann ich Daten sicher, sinnvoll und im Einklang mit der Regulatorik verwenden? Das ist keine triviale Frage.

Wie unterstützt das AIT österreichische Unternehmen?
Wahlmüller-Schiller: Im AIT gibt es sieben Center, die mit der Industrie in vielen Bereichen zusammenarbeiten. Als AIT Center for Technology Experience bringen wir unsere Expertise zu eXtended Reality (XR), Human/Robot Collaboration und Future Digital Interfaces in Pilotprojekten wie etwa CRANEium ein. Es ist uns aber auch ein großes Anliegen, niederschwellige Kooperationsformen zu etablieren. Wir sind Partner im EDIH (European Digital Innovation Hub) AI5Production unter Leitung der TU Wien Pilotfabrik Industrie 4.0, wo wir KMU aber auch Großunternehmen bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten unterstützen und kostenlose Trainings und „Test before Invest“ Kleinprojekte anbieten. AI5Production bietet ein ideales Experimentierfeld, um gemeinsam mit Unternehmen innovative Lösungen im Sinne der Industrie 5.0 entwickeln und umsetzen zu können. So wird das große Potential von Industrie 5.0 für Unternehmen greifbar.

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